IntonationIntonation und Einstimmen - Martin Geyer

Ein unterschätztes und kaum beachtetes Thema.
Intonation und Einstimmen gehören nur indirekt zusammen, vielfach werden die Begriffe von Jagdhornbläsern durcheinandergebracht. Viele Abhängigkeiten sind zu beachten. Hier ist der Bläser wirklich gefordert sich selbst zu hören!

 

Vielen werden die Kommentare bekannt vorkommen.

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Ich möchte mit diesem Vortrag ein bisschen Klarheit reinbringen und die Zusammenhänge erklären.

Im Jagdgebrauch ist es in der Regel nicht notwendig einzustimmen. Für Vorträge vor Publikum, und vor allem bei den Es-Parforcehörnern sollten wir aber diese „Punkte“ nicht verschenken!!

(Dieser Beitrag basiert zu einem guten Teil auf einen Artikel von Doris Geller, die Professorin für Gehörbildung und Musiktheorie ist. Sie veranstaltet regelmäßig Seminare rund um die Intonation. Weiterhin natürlich eigene Erfahrungen und Tipps von Naturhornsolisten)

Grundlagen

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Ich möchte zunächst einmal die Begrifflichkeiten klären, die zum Verständnis notwendig sind. Es gibt hier vielfältige Zusammenhänge und Einflussfaktoren, die sich gegenseitig beeinflussen und überlagern!

Harmonie/Intonation

Technisch gesprochen ist Harmonie: wenn Töne das (mehr oder weniger) exakte n-fache des Grundtones abbilden! Je ähnlicher die (zusammen spielenden) Instrumente sind, desto eher entstehen Intonationsprobleme!

Gute Intonation ist nicht nur, wenn zwei Bläser den gleichen Ton exakt zusammen blasen. Es muss auch eine Übereinstimmung der Töne mit den Obertönen des anderen Bläsers herrschen. Dito muss beim Akkorde der höhere Ton das n-fache des Akkordgrundtons betragen.

Erst harmonische Töne/Akkorde werden als „VOLL“, prächtig wahrgenommen. Es tritt eine Verstärkung des Klangs auf – nicht übereinstimmende Töne werden als leer, eher dumpf wahrgenommen!

Intonation gibt es IMMER erst in der Relation von mindestens zwei Tönen. (eines Bläsers, bzw. mehrerer Bläser)

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Frequenzbänder und Schwebungen

Töne sind bei Instrumenten in der Regel kein „Sinuston“, d.h. ein Ton ohne jegliche Abweichung von der Herz- (Schwinungs-) Zahl – dieser ist nur technisch herzustellen (hat aber keine „Klangfarbe“!!!)

Bei Streichinstrumenten besteht der Ton aus einem Tonhöhenvibrato.

Töne sind bei Bläsern ein „Lautstärkenvibrato“ mit einer geringeren Abweichung um die exakte Schwingungszahl.

Bei zwei Bläsern:

  1. Wenn eine Lücke bleibt zwischen den „Vibrati“ der Bläser, sind Schwebungen zu hören, was hier als roter Balken dargestellt ist. => diese werden als „unsauber“ wahrgenommen!!
  2. Wenn sich zwei Frequenzbänder zu einem breiteren zusammenschließen, können zwischen ihnen keine Schwebungen entstehen

Bläser mit ihrem fast nicht vorhandenen Tonhöhenvibrato erzeugen nur sehr schmale Frequenzbänder und müssen daher viel genauer zusammenstimmen als Streicher mit ihrem ausgeprägten Tonhöhenvibrato.

è insbesondere das saubere Unisono- oder Oktavspiel mit Bläsern ist deshalb so schwierig. Je mehr Bläser an einem Ton beteiligt sind, desto eher kann sich natürlich ein geschlossenes Frequenzband ausbilden.

(dies hat seine Grenze bei vielen Bläsern – diese werden dann zwar nicht als unsauber wahrgenommen, aber es entsteht eher ein Grundrauschen als klar definierte Töne!)

Schwebungen und Unsauberkeiten kommen genauso bei Akkorden (Nicht-Deckung von unterschiedlichen Tönen) heraus!!!

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Intonation

„Innere“ und „äußere“ Intonation

Wir können unterscheiden in die innere und äußere Intonation.

Die äußere Intonation dagegen bezieht sich auf die Intonation der Töne mehrerer Bläser

Die innere Intonation bezieht sich auf den einzelnen Bläser, auf die Intonation INNERHALB seiner Tonreihe und ist damit die Voraussetzung für die äußere Intonation!!

Wenn die innere Intonation zu 100% passt müssen wir „eigentlich“ nur noch mit dem Stimmzug die Hörner aufeinander stimmen, und dann passt alles…. (theoretisch)….

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Was bestimmt die Tonhöhe?

Die Tonhöhe selbst wird durch verschiedene „äußere“ und „innere“ Faktoren bestimmt.

  1. Der Stimmzug
  2. Außen- bzw. die Horntemperatur! => alle Töne
  3. Hornaufbau (Qualität des Horns) bzw. Sauberkeit (Voraussetzung) => wirkt sich auf einzelne Töne aus
  4. Lippenspannung (Kondition, Ansatz und Können des Bläsers (nach oben UND unten) => bestimmt Einzelton
  5. Luftgeschwindigkeit => bestimmt Einzelton

Stimmzug

Der Stimmzug wirkt sich auf alle Töne gleichmäßig aus!

Außen- bzw. Horntemperatur)

Je Grad Celsius-Erhöhung (des Horns) steigt der Ton um 3 cent (3/100 eines Halbtones).
Durch die Instrumentenerwärmung steigt damit die erzeugte Tonhöhe. Während 3% nach unwesentlich klingt, bedeuten 20° Steigerung schon 0,6 Halbtöne (60 cent). Ein geschultes Gehör nimmt etwa 5 cent Abweichung der Tonhöhe wahr; ein normales Gehör jedoch erst etwa 10 cent. Das bezieht sich auf nacheinander gespielte Töne. Erklingen in der Tonhöhe um 5 cent unterschiedliche Töne gleichzeitig, so ist die Schwebung schon recht auffällig wahrzunehmen.

Denken wir an Kirchen, Hubertusmessen in der kalten Jahreszeit, an die später kommenden Bläser in der Probe mit kalten Hörnern erkennen wir, dass eine gute Intonation nicht einfach jederzeit da ist sondern „geplant“ werden muss. Probleme werden manchmal nicht zu vermeiden sein, wenn z.B. in Hubertusmessen einzelne Bläser Spielpausen haben und damit nur diese Hörner abkühlen. Selbst der Unterschied zwischen gewickelten/ungewickelten Hörnern (kühlen schneller aus) sind bemerkbar.

Die Temperatur wirkt sich damit auch auf alle Töne gleichmäßig aus.

Hornaufbau (Qualität des Horns) bzw. Sauberkeit

Jedes Horn hat seine eigenen „Abweichungen“ bei einzelnen Tönen vom harmonischen Optimum, auch jedes nagelneue Horn. Bei teureren Hörnern sind die Optima-Abweichungen in der Regel geringer als bei billigeren. Dies ist bedingt durch Unregelmäßigkeiten bei der Fertigung, durch Grate und Anschlüsse im Horn.
Der Bläser gleicht dies bei „seinem“ Horn normalerweise (sollte) automatisch aus durch veränderte Lippenstellung/-Druck – je nach Können und Gehör des Bläsers!

Größere Abweichungen können dadurch aber nicht mehr korrigiert werden!

Um den Einfluss von Verschmutzungen zu ermitteln habe ich bei einem Es-/B-Umschalt-Parforcehorn vor und nach der Reinigung (einfache Seifenlauge, mit Spiralbürste) die Tonhöhen gemessen.

Die Abweichungen vom „Optimum“ (C als Referenzton) lagen beim ungereinigten Horn bei bis zu 40cent – dieser Ton war nicht sauber spielbar. Die Differenzen reduzierten sich nach der Reinigung erheblich! (im Nachhinein ist zu erwähnen, dass bei einer „chemischen Grundreinigung“ noch eine Mundstückbürste „herauskam“…).

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Lippenspannung und Luftgeschwindigkeit

Die Tonhöhe ist immer durch zwei Faktoren bedingt:

Die Lippenspannung, d. h. wie stark spannt der Bläser seine Lippen an. Straffere Lippen werden schneller vibrieren als weniger straffere und damit einen höheren Ton erzeugen. Ein weiterer Faktor der Tonhöhe ist die Luftgeschwindigkeit, mit der ein Ton geblasen wird. Durch höhere Geschwindigkeit wird die Lippe schneller vibrieren und damit einen höheren Ton erzeugen. Nebeneffekt ist natürlich die mit mehr Luft erzeugte größere Lautstärke.

Ein identischer Ton kann also mit

-        Wenig Luft und viel Lippenspannung erreicht werden (und ist damit leise), oder mit

-        Viel Luft und wenig Lippenspannung (und ist damit laut).

Diesen Effekt kennt man gut, wenn bei Bläsern der 1. Stimme Fürst-Pless die hohen Töne nur noch laut geblasen werden (viel Luft), da die Lippenspannung für einen leisen hohen Ton nicht mehr ausreicht!

Hören!

Während z.B. ein Klavier mit dem Tastenanschlag einen genau definierten (eingestimmten) Ton ausgibt, ist das bei vielen Instrumenten anders (z.B. Geigen). Jeder Ton auf dem Horn spricht auf einer gewissen Spannbreite an, man kann also ein G zu tief oder zu hoch anblasen. Eine Genauigkeit kann hier nur erreicht werden, wenn der Bläser seinen Ton (-höhe) selbst hört und versucht ihn gut zu intonieren - Intonation ist hier nicht: „ein richtig falscher“ Ton, sondern die Abweichung vom genauen Ton (z.B. zu hohes G/zu tiefes G).

Das Hören ist damit die Grundvoraussetzung. Die Korrektur wird dann mit der Lippenspannung durchgeführt, die für das Erreichen des Tones notwendig ist.

Einstimmen

Regeln beim Einstimmen

-        Es müssen die Hörner berücksichtigt werden, die am „tiefsten/höchsten gebaut“ sind!

Je nach Hersteller sind Hörner höher oder tiefer gebaut – dies muss berücksichtigt werden, indem man die Hörner berücksichtigt die z.B. sehr tief gebaut sind, deren Stimmzug also am Anschlag ist.

-        Erst nach dem Einblasen einstimmen (Temperatur, Tonstabilität)

Ein Einstimmen macht erst Sinn, wenn die Hörner die gleiche Temperatur erreicht haben, bis dahin ändern sich die Tonhöhen noch durch die Temperaturänderungen. Eine Viertelstunde Einblasen vor dem Stimmen sollte das Minimum sein. Auch müssen Zwerchfell und Lippen des Bläsers erst warm werden, damit stabile Töne geblasen werden.

-        Mit Stimmgerät oder mit Gehör

Das Einstimmen kann je nach Fähigkeit mit dem Stimmgerät aber auch mit dem Gehör erfolgen.

-        Berücksichtigung der Stimmlage (bei Parforce-Es)

Bei den 1. und 2.Stimmen sollten eher etwas höher eingestimmt werden. Aber Achtung: erste Stimmen werden idR. im Verlauf des Blasens noch höher! In den zweiten Stimmen sollte das e stimmen, da dieses vor allem in Schlussakkorden heraus kommt. Bei 3. Stimmen sollte das g als häufig geblasener Ton stimmen, und bei 4. Stimmen sollte das C stimmen

-        Auf einem Ton einstimmen, der „intonatorisch“ stabil ist!

Tiefe Töne können sehr „variabel“ geblasen werden, haben eine Spannweite von z.B. einem Halbton. Diese sind relativ ungeeignet zum Einstimmen, es sollten Töne wie g1, besser c1 verwendet werden. Aufgrund der möglichen Abweichungen der inneren Intonation sollte man immer mehrere Töne vergleichen/einstimmen

-        Es wird immer nur EIN Bläser eingestimmt – die anderen hören zu!!

Vorgehen beim Einstimmen

Der Stimmton wird vom einzustimmenden Bläser und dem vorgebendem Bläser kurz nacheinander angeblasen, dann korrigiert. Später wird dann durch gleichzeitiges Blasen festgestellt, ob noch Schwebungen zu hören sind!

Eine gute Kontrolle ist auch den Stimmton oktaviert zu blasen als Kontrolle! Quinten/Quarten eignen sich zum Stimmen besonders gut, da sie „empfindlicher“ sind und leichter auch geringe Differenzen zu hören sind.

  • Einzeln einstimmen, zusammen blasen.
  • Ton muss in mittlerer Lautstärke, mit Engagement angeblasen werden, wie später im Stück!
  • Ton muss von Anfang bis Ende dieselbe Lautstärke (und Tonhöhe) haben (auch wenn er falsch ist)
  • Nacheinander die einzelnen Stimmen einstimmen, dann Akkorde in der gesamten Gruppe zusammen blasen. Vor allem Quinten/Quarten/Oktaven.
  • Im Verlaufe des Spieles ist dann zu berücksichtigen, dass sich der Ansatz evtl. unterschiedlich „entwickelt“. Ggf. ist nachzustimmen!!
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