Wie ihr wisst, fasziniert mich als ES Horn Bläser schon immer die Schnittstelle zwischen der Trompe de Chasse und dem deutschen Es Horn.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn wir uns als Bläser in der französischen Literatur und Folklore bedienen, auch Kenntnis von der richtigen Interpretation der Musik haben müssen
Bei meinen Recherchen bin ich auf eine kleine Trompeschule des renommierten Jules Cantin gestoßen, dem „Traité Complet de Trompe de Chasse
von 1938 “
Jules Cantin war Autor und Virtouse auf der Trompe de Chasse und ist vor allem wegen seiner Bearbeitung der“ Grand Messe de Saint Hubert“ bekannt. Daneben hat er aber auch séine umfangreiche Literatur von Fantaisien und kleineren Stücken hinterlassen.
In jedem Fall stellt Cantin eine unumstrittene musikalische Kapazität dar, so dass man getrost seine Ausführungen als Referenz betrachten kann.
Das Traité besteht aus einem Theorieteil, dem allerdings noch eine Sammlung Notenexempeln angegliedert ist, die die Theorie recht gut erläutern. Auf unserer Parforcehornseite können Sie das Traité in einer Übersetzung von Ferdinand Rosenberg einsehen.
Mein Thema in diesem Hornbrief definiere ich nun ganz konkret:
Wie kann ich französische Jagdmusik authentisch mit dem Parforcehorn in Es blasen. Geht das überhaupt ?
Bei Cantin´s Traité finden wir eindeutige Antworten.
Zunächst müssen wir aber ein paar Begriffen verstanden haben, die einfach eine Grundlage des Verständnisses darstellen.
Der Ton simple:
Die gerade, notengerechte Wiedergabe der geschriebenen Noten wird als „Ton simple (einfacher Ton)“ bezeichnet.
Aber dieser Ton simple ist keinesfalls „simple“, er muss viele Qualitäten haben, die auch einstudiert werden müssen
Es sind nicht die ganz speziellen Verzierungen, die den Unterschied machen, nicht die Roulés oder Tayauts, sondern die erste Hürde ist das korrekte Blasen im Ton simple
Cantin benennt die geforderten Qualitäten im Ton simple sehr genau:
- Klangfülle (Sonorité)
- Klarer Anstoß (Piqué)
- Richtige Tonhöhe und Rhythmik (Justesse).
- Légéreté und Geschmeidigkeit (Souplesse)
- Ein gewisses Timbre und Vibrato
- Son Soutenu, gestützter Ton
Anm: Das Vibrato wird von den Trompebläsern teilweise sehr drastisch ausgeführt, was für die meisten Menschen sehr ungewohnt klingt.
Beim Parforcehorn reicht ein gefälliges Lippenvibrato aus,
Cantin fordert: Puissance par le souffle (Kraft durch den Atem) und das ist schon auch der Schlüssel
Der Ton wird mit warmen Atem und aus dem Bauch erzeugt, diese gestützte Blastechnik ist das fundamentale Credo der Jagdmusik.
Es ist vollkommen anders als beim Waldhorn, eher wie bei einem Dudelsack mit seinem Luftreservoir im Sack und den Pfeifen, die die Musik erzeugen.
Denken wir mal ans Surfen: Der Luftstrom ist die Welle und die Noten surfen darauf und bewegen sich mit der Welle zur Fermate hin. Wir haben also eine horizontale Richtung der Phrase, das deutsche Parforcehorn denkt da viel mehr vertikal, gerade in den Dreiergruppen der Achtel.
Nehmen wir mal ein einfaches Motiv: Le vol ce l´est. (1723 Marquis de Dampierre
Le Vol -ce -l´est ist eine Fanfare aus der „Chasse de Courre » der Parforcejagd zu Pferde. Sie wurde immer dann geblasen, wenn die Hundemeute die richtige Fährte des gejagten Hirsches aufgenommen hat.
Wem die Lage zu hoch ist kann gerne in den Hornquinten darunter blasen, das entspricht der zweiten Stimme.
Lernziel: |
Auf dem Parforcehorn spielbar ? |
Anstoß: Piqué (Cantin beschreibt es mit „Tü“) |
Ja, gehört auch beim Parforcehorn zum guten Ton |
Gestützer Ton durchgängig in einer Phrase bis zur Fermate |
Ja |
Kraft des Luftstroms, um die Klangfülle des Hornes zu gewährleisten, Dynamik forte oder ff |
Ja |
An der Fermate deutliches Vibrato |
Ja |
Tip: Das Vibrato beseitigt fast alle Intonationsprobleme in der Gruppe, weil sich durch es keine Interferenzen bilden können, die sich enorm negativ auf das Klangbild auswirken
Der Ton de Vénérie (Jagdton)
Die Jagdmusik beinhaltet etliche Elemente, die für einen konventionellen Musiker völlig abstrus sich anhören . Man mag denken :„What the fuck is this ?“
Diese Stilelemente sind eben nicht notiert, aber unabdingbar, wenn man authentische Jagdmusik spielen will.
Sie werden traditionell mündlich weitergegeben und sind jedem Trompebläser „quasi mit der Muttermilch eingeflöst“. Die Art der Wiedergabe unterliegt aber regionalen und auch zeitgenössischen Veränderungen, so dass es ähnlich von verschiedenen Mundarten in der Sprache auch deutliche Unterschiede in der Folklore gibt
Nun, bei Cantin finden wir Referenzen, die will ich nun erläutern.
Betrachten wir doch mal die letzte Achtelgruppe im Vol ce lést:
Bläst man drei Achtel wie gewohnt auf seinem Parforchorn, sind es drei getrennte Achtel (Détaché). Das ist der ganz normale und notengerechte Ton simple.
Eleganter ist es aber wenn man die Achtelgruppe als Roulé verbunden bläst.
Verbunden ist aber keines falls gebunden (lié). Man erreicht das durch den gestützten Ton und den Luftstrom, den ich oben erwähnt habe.
Statt Tü-Tü-Tü kann man sie mit Tü-lü-lü lautmalerisch imitieren.
Tonbeispiel 3 Piqués Tü-Tü-Tü
Tonbeispiel 3 Roulés Tü-Lü-Lü
Croche heisst Achtelnote. Double Croche sind Sechzehntel, Noire heisst Viertelnote, Noire pointé ist Punktierte Viertelnote.
Tonalité Tonhöhe; Gamme ist Tonleiter
Plusieurs degrés au-dessus einige Schritte nach oben, = Gamme ascendante
Plusieurs degrés au-dessous einige Schritte nach unten= Gamme descendante
Obligatorisch ist das Roulé bei Achteln gleicher Höhe oder absteigenden Achteln.
Niemals Roulé, wenn die Achtel in der Tonhöhe aufsteigen.
Tü und Lü zu unterscheiden, ist nicht immer ganz nachvollziehbar.
Auf dem Parforcehorn können folgende Technik anwenden:
Wir blasen die Achtel verbunden blasen und d e h n e n etwas das erste Achtel. Wir blasen also ein „Rubato“
Rubato kommt von dem lateinischen Wort „Rubare „„Rauben“.
Wenn man die Tönlänge des ersten Achtel verlängert, muss man es einem der Folgeachtel wegnehmen um im Metrum zu bleiben.
quasi das Robin Hood Idyll in der Musik.“Nehmt es den Reichen und gebt es den Armen“.
Durch dieses ständige Rubato entsteht ein horizontaler Drive der Musik zur Fermate hin. Wir kommen weg von den eher vertikalen Achtelgruppen, die häufig auf dem Parforcehorn bei deutschen Gruppen wie Hühnergegacker zu hören ist. Plötzlich ist die Souplesse und Elegance (Geschmeidigkeit und Eleganz) da, die wir ja schon für den Ton simple gefordert haben.
Das Doublé:
Das Doublé wird auf einer Viertelnote ausgeführt.
Diese Viertel ist in dem Beispiel ist die Note mit der Fahne nach unten. Diese Viertelnote wird ersetzt durch zwei Achtel. Diese sind mit der Fahne nach oben eingezeichnet.
In seiner einfachsten Form. Im 2/4 Takt wird die Viertel in zwei Achteln geblasen . Exemple #4.
Das ist noch relativ unspektakulär. Man spricht es Tü-lü aus
Im 6/8 Takt wird es deutlich differenzierter. Das notierte Achtel wird zur Verdopplung zugezogen. Das Doublé und das notierte Achtel werden zu einem Roulé zusammengezogen Tü-lü-tü. (Exemple #5 1ère manière)
Tü sind Piqués bei den Lü wird die Zunge etwas gegen den Gaumen gedrückt. Vom Rubato her wird das erste Tü etwas gedehnt
Für das Parforcehorn sehr geeignet ist Exemple #6 2ième manière. Das mittlere lü wird noch mehr akzentuiert statt lü ein ül, indem die Zunge noch energischer gegen den Gaumen geschnalzt wird.
Das Tayaut:
Das Tayaut ist der Inbegriff des Vénerietons schlechthin. Er soll das Gebell der Hunde imitieren und die Vierbeiner reagieren auch tatsächlich auf das Tayaut.
Es wird wie das Doublé auf einer Viertelnote ausgeführt. Teilung der Viertel in eine Achtel und zwei Sechzehntel (das erste 1/16 wird als Quietscher hochgezogen)
Gehen wir mal von dem Doublé (2 ième maniére) aus Wir hatten es Tü-ül-tü ausgesprochen. Nun, beim Tayaut gibt es in der Mitte noch einen „Quietscher“ etwa Tü-i-ül-tü. Wir können das auch lautmalerisch mit Ta-Y-o wiedergeben. Die Höhe des Quietschers ist eine Terz, aber auch Quarte bis sogar im Extremfall eine Quinte.
Man muss allerdings sagen dass das eigentlich in dieser extremen Form (Quarte/Quinte) nicht mehr zeitgemäß ist und heute kaum mehr geblasen wird
Cantin gibt das Tayaut als obligatorisch an wenn die Achtel nach der Viertel ansteigt.
Manchmal ist das Tayaut sogar notiert im allgemeinen mit einem Mordant über der Note. Siehe Marquis de Dampierre Dann ist es auch obligatorisch.
Diesen Hinweis auf notierte Verzierungen gibt Cantin
Daneben gibt es nach das Doppeltayaut , welches sich auf eine punktierte Viertel bezieht und in drei Achtel mit Quietscher aufteilt.
Lernziel: |
Auf dem Parforcehorn spielbar ? |
Doublé Tü-Lü |
Ja |
Doublé 2 ième maniére (Tü-ül) |
Ja, das ist meine absolute Empfehlung |
Roulé Tü-lü-lü |
Ja, unbedingt |
Tayaut Tü-i-ül I in dieTerz I in die Quart oder Quinte |
Rat: als Doublé 2 ième manière ausführen Ja,sehr bedingt, aber Grenze des Möglichen Geht auf sehr grazilen Parforcehörnern Nein, das ist eindeutig Territoire der Trompe |
Doppel-Tayaut Tü-i-ül-i-ül |
Nein |
Fakultatives Roulé und Tayaut:
Bedeutet dass man auf das Tayaut an anderer Stelle auch nicht verzichten muss, auch in der absteigenden Reihe Etwas mehr geht wohl immer in der Jagdmusik. Manchmal gehen halt die Pferde mit dem Bläser durch
Punktierte Viertel oder Viertel mit folgendem Achtel können auch jederzeit als Achtel Roulé ausgeführt werden.
Aber NIEMALS Roulé nach oben !!!!!!
Bspw: Die Achtel am Ende der Phrasen im Le Vol ce l´lst sind auch fakultative Roulés.
In wie weit wir mit unseren Parforcehörnern allen fakultativen Möglichkeiten folgen, ist eine Frage des Geschmackes. Ich gebe zu bedenken, dass, wenn alle Viertel in Achtelgruppen aufgelöst werden, ein gewisser Einheitsbrei entsteht und alle Stücke klingen dann irgendwann gleich, weil sie die eben die immergleiche Dichte haben. Ich persönlich bin, wie auch bei den extremen Vibrati und excessiven Tayauts der Meinung, dass etwas Zurückhaltung bei den Vénérieelementen die Ohren der Zuhörer nicht so sehr strapaziert und die Musik auch etwas lfür den Zuörer, der nicht eingefleischter Trompefan ist, eichter verdaulich wird.
Also können wir unsere Fragestellung „What´s the fuck are they doing?” mittlerweile gut beantworten:
Hören wir noch mal rein in die Trompe de chasse
- Viertel mit nachfolgend aufsteigenden Achteln, bzw Notation mit dem Mordentzeichen
- Tayaut
- Punktierte Viertel -> Roulé
- Achtelgruppe absteigend ->Roulé bzw Rubato lang kurz
- Fermate -> Vibtato